Der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag fand vom 7. bis 11. Juni 2023 in Nürnberg statt und brachte rund 100.000 Menschen zusammen. Ein zentrales Anliegen war es, die Logistik und Mobilität der Großveranstaltung nachhaltiger zu gestalten. Hierzu wurde das Projekt „LogMob“ ins Leben gerufen, das innovative Ansätze verfolgte, um die CO₂-Emissionen erheblich zu reduzieren.In diesem Fallbeispiel geht es um den Bereich der Logistik.
Problematik
Großveranstaltungen wie der Kirchentag verursachen erhebliche CO₂-Emissionen, insbesondere durch den Materialtransport. Bestehende Verkehrsmanagementstrategien sind zumeist allgemein auf Städte oder Regionen ausgerichtet, nicht jedoch spezifisch auf Großveranstaltungen. Ziel war es daher, ein Konzept zu entwickeln, das die Emissionen der Veranstaltungslogisitk signifikant senkt.
Lösungsansatz
Das „LogMob“-Projekt setzte auf ein integriertes Verkehrsmanagement, das speziell für den Kirchentag entwickelt wurde. Dabei wurden folgende Reduktionsziele verfolgt: Vermeidung von Fahrten, Verlagerung auf effizientere Verkehrsmittel und – falls unvermeidbar – Optimierung von Pkw-Fahrten durch emissionsärmere Fahrzeuge. Insgesamt wurden 36 Maßnahmen in den Bereichen Logistik und Personenmobilität zur Treibhausgasminderung entwickelt und umgesetzt.
Belieferung
- Früher zog der Kirchentag mit dem gesamten Material von Standort zu Standort, wofür im Regelfall 19 bis 21 Sattelzüge eingesetzt wurden. Ein zentral in der Mitte Deutschlands gelegenes Materiallager mit transparentem Warenwirtschaftssystem sorgte dafür, dass Materialbestellungen besser als in den Vorjahren koordiniert und damit nur benötigte Materialien zum Veranstaltungsort transportiert wurden und sparte damit 4 Sattelzüge. Die gemeinsame Nutzung mit dem Katholikentag erweiterte den Materialpool und die Nutzungsfrequenz.
- Der An- und Abtransport von Großzelten verursachte zuvor rund 10.500 km Transportweg. Durch die verstärkte Nutzung vorhandener Gebäude konnte der Bedarf an Großzelten drastisch reduziert werden. In Nürnberg kam nur noch ein Großzelt zum Einsatz, wodurch zahlreiche Sattelzugfahrten entfielen. Genutzt wurden dabei Kirchen und Gemeindehäuser, aber auch Kinos, Messegelände, das Rathaus oder kommunale Zentren. Natürlich mussten die Gebäude in Größe und Art passen. Weitere Kriterien waren aber die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel sowie die örtliche Einbindung ins Gesamtprogramm. Ein weiterer Vorteil der Nutzung bestehender Veranstaltungsorte war auch, dass Gebäudetechnik und Sanitäranlagen mit angefragt und genutzt werden konnten.
- In früheren Kirchentagen wurden ca. 150 Europaletten mit Material sowie über 200 Paletten Getränke und 35 Paletten Verpflegung transportiert. Die Ausschreibungen wurden in Nürnberg nach den Vorgaben der Vergabeordnung IVGO angepasst und legten einen stärkeren Fokus auf CO₂-Emissionen beim Transport. So konnten Produkte aus Asien gänzlich vermieden werden, beispielsweise wurden Helfenden-Shirts nun in Europa produziert und per Bahn statt per Luftfracht transportiert.
- Unvermeidbare Emissionen, beispielsweise die durch notwendige Flüge internationaler Referent:innen entstandenen 124.100 Personenkilometer, wurden mit der Klimakollekte gGmbH kompensiert. Auch Teilnehmende konnten selbstständig Emissionen ausgleichen.
Interne Logistik
- Bereits vor dem Kirchentag wurden zwei von vier Dienstfahrzeugen abgeschafft. Eine weitere Reduktion war geplant, konnte aber nicht rechtzeitig umgesetzt werden. Die Nutzung von Car-Sharing wurde angedacht, jedoch war die Vorbereitungszeit zu kurz. Insgesamt benötigte die Durchführung des Nürnberger Kirchentages noch immer jede Menge Fahrzeuge. Zur vorangegangenen Veranstaltung in Dortmund konnte man durch die verbesserte Logistik 9 PKWs und 7 Kraftfahrzeuge weniger anmieten. Die Anzahl der Transporter (17) und das Kühlfahrzeug blieben aber bestehen.
- Entgegen der ursprünglichen Absicht, vor allem auf Elektrofahrzeuge zu setzen, konnten acht Fahrzeuge mit Elektroantrieb beschafft werden. Um den Überführungsaufwand, also die Wege zum Fahrzeugverleiher und zurück, möglichst gering zu halten, wurde so weit wie möglich auf Fahrzeuge zugegriffen, die vor Ort verfügbar waren.
- Mobilitätsaufträge wurden gebündelt und auf Fahrradkuriere, Pkws und Lieferwagen verteilt. Die Beauftragenden konnten angeben, ob ein Transport mit Pkw oder Zweirad erfolgen sollte, jedoch wurden die Aufträge zunächst in einen zentralen Pool überführt. Die Entscheidung, ob Aufträge mit Pkw oder mit Lastenrad/Fahrrad durchgeführt wurden, wurde auf drei Ebenen getroffen. Im ersten Schritt von den beauftragenden Mitarbeitenden. Im zweiten Schritt – sofern ein Pkw eingesetzt werden sollte – von der jeweiligen Bereichsleitung. Die finale Entscheidung wurde über eine neu installierte sog. „inklusive Auftragsannahme“, welche das optimierte Auftrags-Annahmeverfahren darstellte, abgewickelt. Somit wurden Pkw nur eingesetzt, wenn auf drei Ebenen deren Notwendigkeit gesehen wurde.
Mobilität der Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen
- Durch verstärkte Nutzung von Videokonferenzen konnte der Dienstreiseaufwand für Hauptamtliche um 90 Prozent reduziert werden.
- Der Einsatz geliehener Cargobikes und Pedelecs wurde erhöht: insgesamt kamen 23 Lastenräder/-pedelecs sowie drei Fahrräder zum Einsatz, die in 403 Aufträgen genutzt wurden.
- Zwei dieselbetriebene Dienstfahrzeuge wurden durch ein Elektrofahrzeug ersetzt. Bedarfe für die Veranstaltungsflotte wurden kritisch geprüft, um Transportfahrten durch Lastenräder oder Elektrofahrzeuge zu ersetzen.
- Bahntickets der hauptamtlichen Mitarbeitenden wurden zentral gebucht, Mitarbeitenden mit häufigen Dienstreisen wurde eine BahnCard zur Verfügung gestellt, während Taxikosten nicht erstattet wurden.
Kommunikation
- Auf zwei Besucherführungen wurde das Logistik-Konzept vorgestellt, insbesondere die Radlogistik und das Materiallager. Ein Workshop befasste sich mit klimafreundlicher Mobilität.
- Durch zwei Workshops wurden 15 Verantwortungstragende und später weitere 20 Mitarbeitende sensibilisiert. Diese umfassende Einweisung war notwendig, um das Bewusstsein für nachhaltige Logistiklösungen zu stärken.
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Herausforderung
Die Planung und Umsetzung aller Maßnahmen erforderte eine lange Vorlaufzeit, die nicht immer ausreichte. Herausforderungen waren unter anderem:
- Elektrofahrzeuge waren nur begrenzt verfügbar, und die Verfügbarkeit nicht ausreichend planbar, was die Umsetzung erschwerte.
- Lkw mit alternativen Antrieben zur Anmietung waren nicht ausreichend verfügbar
- Versicherung und Anlieferungstransport der geliehenen Cargobikes und Pedelecs waren kostenintensiv.
Bilanz
Die Fortführung und Erweiterung des Konzepts sind ausdrücklich erwünscht. So wird beispielsweise geprüft, ob eigene Lastenräder angeschafft werden, da diese langfristig nutzbar sind und vielseitig einsetzbar. Zudem sollen Transportfahrten weiterhin kontrolliert und optimiert werden. LogMob-Führungen boten Einblicke hinter die Kulissen, während Workshops nachhaltige Mobilitätsstrategien vermittelten.
Vision
Das „LogMob“-Projekt hat gezeigt, dass nachhaltige Logistik- und Mobilitätskonzepte bei Großveranstaltungen realisierbar sind. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Modell für zukünftige Events, um den CO₂-Fußabdruck weiter zu minimieren. Beispielsweise könnten sich weitere Veranstaltungen dem Materialpool anschließen und ebenso auf bestehende Infrastruktur zurückgreifen, statt Großzelte zu nutzen. Langfristig soll das Konzept als Standard für umweltfreundliche Großveranstaltungen etabliert werden. Für Bahnreisen wird in Zukunft verstärkt auf das Deutschlandticket gesetzt.