Refuse, Reuse, Recycle – Neue Wege zur Kreislauffähigkeit
Teil 2: „Einweg ist kein Weg“

Der zweite Teil unserer Reihe „Refuse, Reuse, Recycle – Neue Wege zur Kreislauffähigkeit“ beschäftigt sich mit den Neuerungen im Verpackungsgesetz, die im Januar 2021 beschlossen wurden. Ab 2023 werden Caterer, Lieferdienste und Restaurants verpflichtet, neben Einweg- auch Mehrwegbehälter für Essen und Getränke zum Mitnehmen anzubieten. Die Mehrwegvariante darf dabei nicht…

Der zweite Teil unserer Reihe „Refuse, Reuse, Recycle – Neue Wege zur Kreislauffähigkeit“ beschäftigt sich mit den Neuerungen im Verpackungsgesetz, die im Januar 2021 beschlossen wurden. Ab 2023 werden Caterer, Lieferdienste und Restaurants verpflichtet, neben Einweg- auch Mehrwegbehälter für Essen und Getränke zum Mitnehmen anzubieten. Die Mehrwegvariante darf dabei nicht teurer sein als das Produkt in der Einwegverpackung. Eine Ausnahme soll es für kleine Betriebe – wie Imbissbuden – mit höchstens fünf Beschäftigten und maximal 80 Quadratmetern Verkaufsfläche geben. Sie sollen ihrer Kundschaft Speisen und Getränke auch in mitgebrachte Behälter abfüllen können. Auf diese Möglichkeiten soll die Kundschaft deutlich hingewiesen werden.

Wie schon bei den bereits etablierten Mehrweg-Kaffeebechern können Kund:innen dann Schalen oder Schüsseln gegen ein Pfand oder per App-Registrierung ausleihen und diese nach dem Gebrauch an das Restaurant oder dessen Partnerbetriebe zurückgeben. Dort werden die Verpackungen dann gespült und wieder in Umlauf gebracht. Doch welche Verpackungen eignen sich als Mehrweglösung? Und sind alle gleich nachhaltig und praktikabel? Was sind die großen Herausforderungen bei der Einführung eines Mehrwegsystems? Wir haben uns umgehört und mit Fee Widderich vom Baltic Environmental Forum e.V. sowie Silke Kleinhückelkotten von der Kampagne „Essen in Mehrweg“ gesprochen.

Mehrweggeschirr für Take Away Essen wird ab 2023 Pflicht. Das ist ein großer Schritt für mehr Nachhaltigkeit. Wie viel Verpackungsmüll kann durch Mehrweglösungen eingespart werden und ab wann ist die Klimabilanz der Mehrweglösung besser als die beim Einweg?

Silke Kleinhückelkotten: 2017 lag das Abfallaufkommen für Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen in Deutschland bei über 280.000 Tonnen. Papier, Pappe und Karton hatten daran mit über 150.000 Tonnen den größten Anteil, gefolgt von Kunststoffen mit rund 58.000 Tonnen. Durch die Nutzung von Mehrweggefäßen können wertvolle Rohstoffe eingespart und die Müllmengen deutlich reduziert werden. Eine Faustregel ist, dass Mehrwegbehälter in der Klimabilanz nach zehn bis fünfzehn Nutzungen besser abschneiden als in der Herstellung weniger aufwendige Einwegverpackungen. Bei anderen Auswirkungen auf die Umwelt ist die sogenannte ökologische Nutzenschwelle deutlich höher. Um Ressourcen zu schonen und die Umwelt zu schützen, sollten Mehrweggefäße möglichst häufig – mindestens 100-mal – eingesetzt werden.

Welche Materialien eignen sich als Mehrweglösungen für die Gastronomie und welche Kriterien sind – sowohl für die Nachhaltigkeit als auch für die Umsetzbarkeit – entscheidend?

Silke Kleinhückelkotten: Für die Mehrweggefäße können verschiedene Materialien, wie Glas, Porzellan, bestimmte Kunstoffe und Edelstahl zum Einsatz kommen. Wichtig ist, dass sie für den Lebensmittelkontakt geeignet sind. Glas und Porzellan sind schwerer und es besteht die Gefahr, dass sie zerbrechen. Aus diesem Grund wird Kunststoff häufig vorgezogen. Die Gefäße müssen dabei nicht nur lebensmittelecht, d.h. Gefäße aus Kunststoff frei von BPA – sein. Damit sie für die Nutzung in der Gastronomie geeignet sind, müssen sie zudem auch geschmacksneutral, hitzebeständig, robust, stapelbar und gastrospülmaschinentauglich sein.

Die ersten Anbieter von Mehrweglösungen für die Gastronomie arbeiten mit Kunststoffen (wie PBT oder Polypropylen) oder Edelstahl. Was sind die Vor- und Nachteile dieser Materialien?

Silke Kleinhückelkotten: Das ist nicht so leicht zu beantworten. Edelstahl ist in der Herstellung wesentlich energieintensiver als Kunststoff. Dadurch sind deutlich mehr Nutzungen nötig, damit sich der Einsatz ökologisch rechnet. Edelstahl lässt sich allerdings gut stofflich recyceln. Bei Kunststoff ist – je nach Zusammensetzung des Materials – häufig nur ein Downcycling möglich. Bei reinem Polypropylen sollte aber ein stoffliches Recycling möglich sein zu Material, das für den Lebensmittelkontakt geeignet ist.

Fee Widderich: Der Vorteil von Polypropylen ist, dass es relativ stabil und hitzebeständig bis max. 100°C im Dauereinsatz ist. Darüber hinaus enthält Polypropylen meistens keine Weichmacher, ist recyclebar und relativ umweltverträglich, da es in der Natur kaum Schadstoffe bildet. So bildet sich bei der Verbrennung z.B. kaum Dioxin.

Die Nachteile sind, dass das Material bei unter 0°C spröde werden kann und es sich unter dem Einfluss von UV-Strahlung zersetzt. Generell hängen die Eigenschaften des Materials bei Hartplastik ganz stark von der Herstellung ab, dadurch können auch als unbedenklich eingestufte Plastikarten unerwünschte Schadstoffe enthalten. Das gilt auch für alle Plastikarten, die bereits bei Poolsystemen eingesetzt werden. Für mich ist Plastik generell eine unsichere Angelegenheit, da hier immer der Herstellungsprozess entscheidend ist.

Bei Glas und Edelstahl sind eindeutig das höhere Gewicht und die höheren Kosten des Materials die Hauptpunkte, die dagegen sprechen. Bei Glas kommt noch die höhere Zerbrechlichkeit hinzu. Auch die Produktion von Glas und Edelstahl ist energetisch aufwendiger und teurer als z.B. Plastik. Jedoch sind diese Materialien aus Chemikaliensicht sicherer, Edelstahl kann darüber hinaus noch öfter wiederverwendet werden.

Gibt es weitere Materialien, die sich für Mehrweg-Geschirr eignen? Wenn ja, welche? 

Fee Widderich: Von Bambusgeschirr raten wir beispielsweise generell ab. Der in Form gebrachte Bambus wird mit Melamin verklebt. Das kann bei einer Erwärmung über 70°C Formaldehyd an die Lebensmittel abgegeben kann. Für kalte Speisen ist das ok, aber im Take Away Betrieb erwirbt man ja häufiger heiße Speisen.

Zurzeit steht ja „Bagasse“ (Zuckerrohrrückstände) im besonderen Fokus. Dies soll als DIE Alternative zu Plastik auf den Markt kommen, auch für Einweggeschirr. Bis jetzt kann ich dazu auch noch nichts Nachteiliges finden, da dies wohl noch ein paar Jahre braucht. Jedoch wird dieses sogenannte Bioplastik (PLA) oftmals mit vielen verschiedenen Zusatzstoffen angereichert, so dass ich aus Chemikaliensicht sehr skeptisch bin.

Vor welche Herausforderungen stellt der Einsatz von Mehrweglösungen Gastronom:innen und wie kann ihnen geholfen werden?

Silke Kleinhückelkotten: Es gibt zwei grundsätzliche Mehrwegvarianten: A) Kund:innen bringen ihre eigenen Gefäße mit und reinigen sie vor der nächsten Nutzung zu Hause und B) Gastronomiebetriebe stellen Gefäße bereit, die Reinigung erfolgt durch die Betriebe oder Dienstleister:innen. Die Variante A ist einfach umzusetzen. Es gilt allerdings einige Regeln zu beachten, um den Anforderungen der Lebensmittelhygiene zu genügen. Variante B ist mit Mehraufwand verbunden. Die Gefäße müssen besorgt, gelagert, ausgegeben, zurückgenommen und gereinigt werden. Mittlerweile gibt es einige Unternehmen, die Gastronomiebetriebe dabei unterstützen und Gefäße in sogenannten Poolsystemen bereitstellen. Hier kann eine unabhängige Beratung zu den verschiedenen Mehrweglösungen hilfreich sein.

Was benötigt es, um Kund:innen von Mehrweglösungen zu überzeugen und dafür zu sorgen, dass sie von Einweg- auf Mehrweg umsteigen?

Silke Kleinhückelkotten: Die Nutzung der Mehrwegalternativen muss einfach und bequem sein. Das bedeutet, dass es vom Geschäft einen deutlichen Hinweis auf das Mehrwegangebot geben muss. Dies können Aufkleber an der Eingangstür, Plakate und Thekenaufsteller sein, wie wir sie im Rahmen unserer Kampagne den mit uns kooperierenden Gastronomiebetrieben zur Verfügung stellen. Auch Online-Werbung auf der eigenen Website und den Social Media-Kanälen wird immer wichtiger. Aktuell ist die einfachste Form, die Kundschaft bei ihrer Bestellung direkt zu fragen: Haben Sie ein Mehrweggefäß dabei? Förderlich sind auch Rabatte auf Speisen in Mehrwegbehältern. Bei Poolsystemen sollte die Rückgabe der benutzten Gefäße an möglichst vielen Orten möglich sein. Im Juni werden wir während unserer Aktionswoche mit Mehrweg-Aktiven aus ganz Deutschland mit Aktionen auf die Mehrwegangebote der Gastronomie aufmerksam machen.

Fee Widderich: Ich glaube es braucht auch viel Bereitschaft der Kund:innen– Menschen sind von Natur aus eher bequem. Aber das Bewusstsein dafür steigt kontinuierlich und durch verschiedene Initiativen und Kampagnen kann das Thema weiterverbreitet und etabliert werden. Ein nachhaltiges Projekt im Kampf gegen Verpackungsmüll ist das Label „Einmal ohne, bitte“. Es macht Geschäfte und Lokale sichtbar, in denen man Produkte wie Backwaren, Käse, Wurst und Takeaway-Gerichte ohne produkteigene Verpackung erwerben und in mitgebrachte Behältnisse füllen kann.

Das Thema Mehrweg in der Gastronomie ist durch die Implementierung im Verpackungsgesetz ein großes Stück vorangekommen. Für die Umsetzung bieten Initiativen wie „Essen in Mehrweg“ und das Baltic Environmental Forum e.V. eine große Hilfe für Gastronom:innen. Auf der Website von „Essen in Mehrweg“ findet sich umfangreiches Hintergrundwissen in der gerade veröffentlichten Studie „Mehrweg in der Takeaway-Gastronomie“ sowie hilfreiches Material für Betriebe . An dieser Stelle werden in der kommenden Woche auch Steckbriefe zu Poolanbietern sowie ein Factsheet „Mehrweg für die Takeaway-Gastronomie“ veröffentlicht. Mit Webinaren und Netzwerktagungenbieten sie Interessierten zusätzlich Informationen, Erfahrungsaustausch und Vernetzung. Detaillierte Informationen über Lebensmittelkontaktmaterialien und viele weitere Broschüren über die Vermeidung von Chemikalien im Alltag gibt das Baltic Environmental Forum. Hier wird  in Kürze auch eine eigene Broschüre zum Thema „Gastronomie und gefährlichen Chemikalien in Lebensmittelkontaktmaterialien“ veröffentlicht, in der es u.a. auch um das Thema“Mehrweglösungen für Takeaway-Essen“geht.

Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich bei unseren Gesprächspartnerinnen und können nur empfehlen, beide Initiativen weiter im Auge zu behalten.

 

 

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