Vernetzung – darf es noch ein bisschen mehr sein?

Blog-Beitrag vom GEHH-Orgakreis zum Jahresbeginn 2020 Mit dem Start in die zwanziger Jahre des einundzwanzigsten Jahrhunderts steht unsere Gesellschaft vor einer entscheidenden Phase. Wenn die Klimakrise für die Menschheit halbwegs handhabbar gestaltet werden soll, müssen schnellstens massive Transformationsprozesse eingeleitet werden, aus denen wirksame CO2-Reduktionen resultieren. Zusätzlich erfordern u.a. wachsende soziale…

Blog-Beitrag vom GEHH-Orgakreis zum Jahresbeginn 2020

Mit dem Start in die zwanziger Jahre des einundzwanzigsten Jahrhunderts steht unsere Gesellschaft vor einer entscheidenden Phase. Wenn die Klimakrise für die Menschheit halbwegs handhabbar gestaltet werden soll, müssen schnellstens massive Transformationsprozesse eingeleitet werden, aus denen wirksame CO2-Reduktionen resultieren. Zusätzlich erfordern u.a. wachsende soziale Ungerechtigkeiten und der rapide Artenrückgang einen ganzheitlichen Ansatz für ein gesellschaftliches Umdenken.

Folgt man den Gedankensträngen von Friedrich von Borries im ZEIT-Artikel vom 27. Dezember 2019 „Die gute Stadtluft“, sind es die Städte bzw. Metropolen dieser Welt und ihre Netzwerke (die „Globalpolis“), denen entscheidende Faktoren zur Lösung der globalen Herausforderungen des Klimawandels zugeschrieben wird. Als Architekt fokussiert sich von Borries darauf, dass die Städte so gedacht, geplant und gebaut werden müssen, dass in ihnen viel weniger beziehungsweise gar keine schädlichen Emissionen entstehen. Die vernetzten Städte der Zukunft haben zwei Herausforderungen zu meistern: die Vernetzung innerhalb der Stadt und die Vernetzung untereinander, zum Beispiel in einem Weltparlament der Bürgermeister, das es den Städten erlauben würde, schneller voneinander zu lernen und sich zu koordinieren.

DIE VERNETZUNG VON MENSCHEN IST ARBEIT

Als lokales Netzwerk, das sich eine nachhaltige Entwicklung im Veranstaltungswesen (von Sport über Kultur bis zu Volksfesten) in Hamburg auf die Fahne schreibt, wollen wir uns der anskizzierten Vernetzungsarbeit, deren Erfolgsfaktoren und Herausforderungen tiefer widmen:

Green Events Hamburg (GEHH) zielt darauf ab, Menschen und deren Ideen, Erfahrungen und Wissen für eine zukunftsfähige Entwicklung in einem spezifischen Handlungsfeld in Austausch zu bringen, zu bündeln, zu verbreiten, zu hinterfragen, ggf. zu verbessern und dann auf einer neu erreichten Wissensstufe die Arbeit intensiviert fortzuführen – somit also gemeinsam die Veranstaltung von morgen zu schaffen, die gemeinwohlorientiert einen Mehrwert für alle Bürger:innen schafft.

Der Orgakreis beim Jahresauftakttreffen 2020: v.l.n.r. Lena Hansen, Thore Debor, Helen Schepers und Björn Hansen

Was braucht es dafür?

Ein professionelles bzw. konstantes Netzwerken erfordert personelle Ressourcen. Hauptsächlich bedarf es Koordination, Organisation und Kommunikation. Beginnen Menschen diese Ressourcen – häufig durch ehrenamtliches Engagement – zu investieren, sind schnell erste Erfolge zu verzeichnen. Der aus bis zu fünf Personen bestehende ehrenamtliche Orgakreis von GEHH organisiert seit 2015 diverse Netzwerkveranstaltungen und Austauschformate. Interessierte Akteure aus einer Stadt finden sich mehrmals im Jahr auf Einladung zusammen, entdecken Gemeinsamkeiten, bekräftigen sich, geben sich Tipps, entwickeln neue Projekte (z. B. Futur 2 Festival) und/oder gehen mit neuen Ideen und Kontakten inspiriert von einer Netzwerkveranstaltung nach Hause.

Es ist erstaunlich zu beobachten, wie viele unterschiedliche Akteure in einer Stadt wie Hamburg die Veranstaltungen von GEHH besuchen und wie das Netzwerk (Freund:innen und/oder Kompliz:innen) seit 2015 stetig wächst. Dieses Wachstum untermauert die Sinnhaftigkeit der ehrenamtlichen Arbeit im Orgakreis, der die Fäden und Leitlinien beisammen hält bzw. führt.

GREEN EVENTS HAMBURG IM JAHR 2020 

Aktuell widmet sich GEHH – gefördert durch Mittel der Hamburger Behörde für Umwelt und Energie (BUE) –  einem Trialog zwischen Zivilgesellschaft, Behördenverwaltung und (Veranstaltungs-)Wirtschaft, der einen partizipativen Prozess zur Erstellung einer Handreichung für nachhaltiges Veranstalten beinhaltet. Durch die Fördermittel war es uns möglich eine halbe Projektstelle zu schaffen, die nun auch hauptamtlich im Rahmen der mit der BUE gemeinsam erarbeitet Projektziele die Idee für zukunftsfähige Veranstaltungen in Hamburg vorantreibt. 2020 startet die Pilotphase für die Umsetzbarkeit der Handreichung, in der die Praxistauglichkeit an zahlreichen Veranstaltungen getestet wird. Das Interesse an einer Teilnahme ist überwältigend. Über 25 Veranstalter:innen in Hamburg – vom Metal-Festival, über Flohmarkt bis zum Straßenumzug – haben ihren Bewerbungsbogen eingereicht und übertreffen die im Projekt vorgesehenen Kapazitäten um mehr als das 8fache. Ein Luxusproblem, das weiteren Ansporn erzeugt. Gemeinsam mit der der BUE entwickeln wir derzeit eine Lösung, um dem breiten Interesse gerecht zu werden.

Unsere Ziele und Wünsche   

Bereits jetzt ist absehbar, dass sich allein aus der Pilotphase viel Beratungskompetenz in Hamburg aufbauen und bündeln lassen wird. Wenn es gelingt, diesen Pool von Best Practice-Ansätzen in einer Tatenbank einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sich zudem ein Bewertungsschema ableiten und etablieren lässt, das Veranstaltungen künftig nach nachhaltigen Kriterien klassifizierbar macht, wäre Vieles erreicht. Wenn dann eine Stabsstelle auf städtischer Ebene die Ergebnisse von zertifizierten Veranstaltungen zentral bzw. bezirksübergreifend dokumentiert und evaluiert, ist ein wichtiger Schritt getan, damit künftig städtische Flächenvergaben und/oder Fördermittelverfahren (verpflichtendes Nachhaltigkeitsberichtswesen im Verwendungsnachweis) sich an diesen Kriterien orientieren und eine Lenkungsfunktion für die Veranstaltungsbranche in der Stadt darstellen können.

Was uns noch hilft

Wünschenswert wäre es, dass GEHH künftig mehrheitlich durch freiwillige Spenden oder Fördermitgliedschaften im Trägerverein (Grüner Wirtschaftsrat) in die Lage versetzt wird, die zu Grunde liegende Vernetzungsarbeit (bottom-up) weiterhin auf hohem Niveau bewerkstelligen zu können ohne dabei seine Unabhängigkeit zu verlieren. So kann das Netzwerk notfalls auch eine kritische Stimme (gegenüber top-down Hierarchien) bilden und nutzen, unabhängig an innovativen Ideen arbeiten und Projekte anschieben, die der Veranstaltungsbranche helfen die Veranstaltungen auf die Zukunft vorzubereiten und an einer Transformation der Gesellschaft mitzuwirken. Denn gerade Veranstaltungen können ein Ort für das Erproben und Entwicklen neuer, konkreter Utopien sein.

Hoffnungsvolle Ausblicke

Hat eine Metropole dieses interne Vernetzungslevel erreicht, macht es Sinn, die zweite Stufe – einer Vernetzung mit anderen Städten und deren Akteur:innen zu beginnen, um dann in einem weltweiten Austauschprozess die besten themenspezifischen Lösungen zirkulieren zu lassen. Neben dem Veranstaltungswesen können die entwickelten Lösungen auch auf weitere Sektoren, wie z.B. Mode, Logistik, Mobilität, Musik, Tourismus und Handel übertragen werden, die ähnliche Vernetzungs- und Transformationspotenziale vorweisen. Viele Erkenntnisse ließen sich vermutlich auch sektorenübergreifend – gemäß dem Motto „nicht jeder Bereich muss das Rad neu Erfinden“ –  nutzbar machen. Berücksichtigt man, dass Transformationsprozesse häufig von kleineren pionierhaften Gruppierungen ausgehen, sind schnelle, messbare Erfolge durchaus im Bereich des Erreichbaren. Alles, was dafür benötigt wird, sind Ressourcen zur Bewerkstelligung der Netzwerkarbeit.

Uns – und unseren nachfolgenden Generationen – sei gewünscht, dass sich diese Erkenntnis schnell(er) verbreitet.

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