Nachbericht: Futur 2 Festival Konferenz

Fachkonferenzen, die die Zukunft der Veranstaltungsindustrie diskutieren, gibt es inzwischen viele. Doch im vergangenen Winter entstand die Idee einer neuartigen Tagung: Eine Fachkonferenz für Entscheider:innen und Gestalter:innen aus der Veranstaltungsbranche, auf der diese sich tiefgreifend mit den Kernthemen nachhaltiger Veranstaltungen auseinandersetzen. Unsere Vision: Diskussionen führen, die nicht nur zu dem…

Fachkonferenzen, die die Zukunft der Veranstaltungsindustrie diskutieren, gibt es inzwischen viele. Doch im vergangenen Winter entstand die Idee einer neuartigen Tagung: Eine Fachkonferenz für Entscheider:innen und Gestalter:innen aus der Veranstaltungsbranche, auf der diese sich tiefgreifend mit den Kernthemen nachhaltiger Veranstaltungen auseinandersetzen. Unsere Vision: Diskussionen führen, die nicht nur zu dem Ergebnis kommen, dass wir alle etwas tun sollten, sondern uns auch sagen, was wir tun können.
Schnell war klar: Die Konferenz sollte begleitend zum Futur 2 Festival stattfinden, denn dort wird heute schon auf allen Ebenen nachhaltig veranstaltet, sodass die Teilnehmer:innen die theoretischen Konferenzinhalte gleich am Praxisbeispiel erleben können.
Und so diskutierten am 25.05.2019 erstmals Vertreter:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf der Futur 2 Festival Konferenz auf fünf Panels, stellten Best Practise-Ansätze vor und sprachen über Kontroversen und Erwartungen an Veranstaltende und Veranstaltungen sowie über die Skalierbarkeit ihrer Ansätze. Hier findet ihr unseren Nachbericht zur Futur 2 Festival Konferenz, die mit einem Panel zur Eventstadt Hamburg begann und sich dann den Kernthemen Energie, Müll und Mobilität sowie der CO2-Bilanzierung von Festivals gewidmet hat.

Hamburg ist Veranstaltungsstadt und laut dem Bezirksamtsleiter Falko Droßmann betrifft das vor allem den Bezirk Mitte. Weihnachtsmärkte, Schlagermove, Sportevents und Demos wollen alle in diesem Bezirk auflaufen – und das finden viele Anwohner:innen gar nicht gut.
„Klasse statt Masse“ will Falko Droßmann für Hamburg Mitte erreichen. Zusammen mit Björn Hansen vom Futur 2 Festival und Helen Schepers, erster Vorsitzenden des Grünen Wirtschaftsrates, eröffnete er die Konferenz.
Bis dato sind die Möglichkeiten der Einflussnahme auf Veranstaltungskonzepte durch die Stadtverwaltung begrenzt, was auch an den nicht einheitlichen Genehmigungsverfahren liegt. Lediglich bei Weihnachtsmärkten werden durch integrierte Nachhaltigkeitsaspekte in Ausschreibungen vorsichtig erste Schritte in Richtung Zukunft unternommen. Björn Hansen bestätigt, dass die Kommunikation zwischen Veranstaltenden und Genehmigungsstellen oft über viele Umwege erfolgt, was den Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten erhöht. Durch ein zentrales und direktes Genehmigungsverfahren könnte Vieles vereinfacht und ein für eine nachhaltige Transformation notwendiger direkter Dialog geführt werden. Denn wer – wie das Futur 2 Festival – klimafreundlich veranstalten will, trifft die Flächenwahl nicht anhand von Bezirksgrenzen, sondern nach Einfall von Sonnenlicht, Beschaffenheit der Fläche und Anbindung an den ÖPNV.
Helen Schepers betonte, dass neue Anforderungen an die Vergabe von Flächen mit vielen Anreizen, aber bitte auch mit einer stufenweisen Verbindlichkeit einhergehen müssen. Wer als Veranstaltender auf verstaubte Konzepte wie Dieselgeneratoren, Einweggeschirr aus Plastik und Wegwerf-Artikel setzt, darf nicht noch durch hohe Gewinnaussichten belohnt werden. Die Kosten dafür tragen nämlich andere und das ist ungerecht!

Das nahende Ende vom Dieselgenerator thematisierten auch Jacob Bilabel (Green Music Initiative), Attila Nakaluk (Hamburg Energie) und Ole Hering (North Tec GmbH / Futur 2 Festival). Generatoren produzieren viel ungenutzte Abwärme und funktionieren mit Motoren, die keine inkonstante Auslastung und kurze Nutzungszeiten mögen – somit eignen sie sich grundsätzlich nicht für nachhaltigen Festivals.
Beim Futur 2 wird ein Generator mit Ethanol als Reserve betrieben. Dieser stellt eine klimafreundliche Lösung für die Bereitstellung von Energie dar, falls die Sonne am Veranstaltungstag den Energiebedarf nicht decken kann. Das Futur 2 Festival wird nämlich hauptsächlich durch Solarenergie und über Fahrradgeneratoren auch durch die Muskelkraft der Gäste betrieben. So wurde auch die Bühnentechnik der Konferenz mit gespeicherter Solarenergie versorgt – nächstes Mal gibt es vielleicht auch Kaffee für die Gäste, denn wir haben gemerkt, dass wir viel weniger Energie verbraucht haben, als verfügbar war.
Energieverbräuche genau zu identifizieren, ein integratives Energiekonzept zu erstellen, das nicht jeden Verbraucher einzeln, sondern alle gemeinsam betrachtet, ist für Ole Hering die Kernaufgabe für Veranstaltende. Alle Veranstaltungen könnten viel weniger Energie verbrauchen, als sie denken, ohne programmatische Änderungen.
Ein weiterer Schritt ist die Analyse nach SCOPE-Dimensionen, wie das Konferenz-Thema CO2-Bilanzierung zeigt. SCOPE 1
sind die direkten Emissionen vor Ort: also z.B. Generatoren, Gaskocher und der Fuhrpark. SCOPE 2 beinhaltet indirekte Emissionen, die durch externe Energieerzeugung entstehen. Beim Futur 2 Festival sind die SCOPE 2 Emissionen also aufgrund der autarken Versorgung bei Null. SCOPE 3 Emission sind solche, die durch den Einsatz von Produkten und Dienstleistungen entstehen, das betrifft z.B. die Anreise, das Speisenangebot und die Druckerzeugnisse. Wer als Veranstaltung autark sein will, der muss beim Energieeinsatz ganz genau hinschauen und deswegen ist auch eine Kernbotschaft des Futur 2 Festivals, Besucher:innen und Dienstleistende über Energiebedarf – und Produktion zu informieren. Vielleicht werden die Besucher:innen bald aufgefordert, Ökostrom von zu Hause mitzubringen? Ole hat schon eine Idee, wie das gehen kann…
In der Großstadt Hamburg können viele Veranstaltungen über das öffentliche Stromnetz versorgt werden. Seit 2018 auch endlich durch den städtischen 100% Ökostrom-Anbieter Hamburg Energie, wie Attila Nakaluk berichtet. Aufgrund der ehemaligen Netzhoheit des internationalen Großkonzerns Vattenfall und alten Verträgen mit den vier zentralen Hamburger Anbietern von Bau- und Eventstrom ging das lange nicht. Jacob Bilabel ergänzt, dass bei weniger als 20% der dezentral gelegenen großen Festivals überhaupt Stromanschlüsse in ausreichender Stärke vorhanden sind. Entsprechend muss – anders als in Hamburg – Energie vor Ort erzeugt werden.

Müllmythen beseitigen konnten die Abfallexperten Reinhard Fiedler (Stadtreinigung Hamburg) und Arne Grewe (Wastecon AG). Oberstes Kredo beim Thema Abfall ist und bleibt: Abfallvermeidung first! Recycling ist nicht Müllvermeidung! Leider gibt es bei Veranstaltenden noch viele Wissenslücken zum Thema Recycling. Teilweise liegt das auch an falschen Informationen der Produkthersteller. Die Kompostieranlagen können mit den langen Abbauzeiten von Bioplastik nicht arbeiten, durch eine Durchmischung von Biomüll mit Kleinstschnipseln aus Bioplastik ist sogar der Hamburger Kompost in Gefahr! Die beiden Abfallexperten kündigen an, dass sich Verbraucher:innen auch auf neue Produktdesigns einstellen müssen. Schwarzes PET ist z.B. nicht recyclebar, da die Sensorik der Recyclinganlagen es nicht erkennt. Ebenfalls nicht recyclebar sind Multilayer-Kunststoffe, also Materialmixe.
Mit nur 26g Müll pro Besucher:in ist das Futur 2 Festival absoluter Spitzenreiter der Müllvermeidung. Das geht natürlich nur mit Konsequenz: z.B. Einweggeschirr weglassen, Flyer verbieten und bei nicht vermeidbaren Druckerzeugnissen auf zeitlose mehrjährige Designs setzen. Alexandra Herget (TUTAKA oHG) sagt, man muss den Menschen deutlich machen, dass Nachhaltiges Handeln ein Gewinn ist: Nicht nur für die zukünftigen Generationen, sondern auch für das eigene Leben. Mit dem Fun.Bin stellt sie einen Ansatz vor, dies zu vermitteln. Alessandro Cocoo (Recyclehero) lebt das als Gründer eines Start-Ups vor, das gemeinsam mit auf dem klassischen Arbeitsmarkt schwer vermittelbaren Menschen einen Abholservice für Pfand- und Altglas anbietet.

Christof Hertel arbeitet seit Jahren für den Kirchentag, ein wanderndes Großevent mit über 100.000 Besucher:innen und 2.000 Veranstaltungen in 5 Tagen, das sich schon seit Jahrzehnten stetig nachhaltiger ausrichten möchte. Und das geht am besten mit einem ganzheitlichen Blick. Verpflegung, Mobilität, Verbrauch und Abfall, Energie und Emissionen müssen analysiert und optimiert werden.

Themenübergreifend gilt: Ein (zu lösendes) Dilemma der Veranstaltungsbranche sind die oft vorherrschende Kurzfristigkeit und kurzen Planungszeiträume. Durch verbesserte Bedarfsanalysen, Abläufe und Absprachen kann die Veranstaltungsbranche bei allen Kernthemen Abfall, Mobilität und Energieerzeugung punkten. Konzepte gemeinschaftlich zu planen und umzusetzen, schont nicht nur die natürlichen Ressourcen, sondern auch den eigenen Geldbeutel.

 

 

 

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