Deep Dive: Awareness auf Veranstaltungen

Es geht um ein gemeinsames Verantwortungsbewusstsein, das darauf abzielt, Diskriminierung, grenzüberschreitendes Verhalten und (sexualisierte) Gewalt zu verhindern. Ziel ist es, Veranstaltungsorte zu schaffen, an denen sich alle Menschen sicher und respektiert fühlen.

Ein zentraler Bestandteil von Awareness ist es, die Hintergründe und Strukturen zu verstehen, die Übergriffe und Diskriminierung begünstigen können. Dazu gehört auch, gesellschaftliche Machtverhältnisse zu betrachten, die historisch gewachsen sind und oft unbewusst fortwirken. So sind im gesellschaftlichen System Privilegien und Macht strukturell noch häufig ungleich verteilt und beeinflussen damit Ungleichheiten.

Ein gezieltes Awareness Konzept kann Transformationsprozesse im Veranstaltungswesen vorantreiben und damit gesellschaftliche Veränderungen positiv beeinflussen.

Wachsende Notwendigkeit für Prävention und Unterstützung

Sexualisierte Gewalt ist in vielen Gesellschaftsbereichen verbreitet und hat oft tiefgreifende Folgen für die Betroffenen. Vorfälle sexueller Belästigung, Übergriffe und diskriminierende Kommentare belasten sowohl Einzelpersonen als auch das Gemeinschaftsgefühl.

Bei Veranstaltungen, auf denen viele Menschen in engem Kontakt stehen, kann eine unsichere Atmosphäre entstehen, die das Wohlbefinden aller beeinträchtigt. Das zentrale Problem besteht darin, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um ein Umfeld zu schaffen, das frei von sexualisierter Gewalt ist und gleichzeitig im Ernstfall sofortige Unterstützung gewährleistet.

Ein ganzheitliches Awareness-Konzept gegen sexualisierte Gewalt

Um den Herausforderungen der sexualisierten Gewalt zu begegnen, wird ein Awareness-Konzept eingeführt, das klare Ansprechpersonen, Feedback-Möglichkeiten und Präventionsmaßnahmen beinhaltet. Dieses Konzept vereint präventive und reaktive Schritte, um ein sicheres, inklusives Umfeld zu schaffen:

Präventionsmaßnahmen und Schulungen: Workshops, Trainings und Szenario Trainings für Mitarbeitende und Veranstaltende sind essenziell. Sie vermitteln den Umgang mit Machtstrukturen unserer Gesellschaft, die Erkennung von sexualisierter Gewalt und die Unterstützung von Betroffenen. Dieses Wissen fördert ein respektvolles Miteinander und den Abbau von Vorurteilen.

Erstellung und Durchsetzung eines Codes of Conduct: Ein zentraler Verhaltenskodex definiert die Grundwerte und Regeln der Veranstaltung und stellt sicher, dass alle Beteiligten wissen, welches Verhalten erwartet wird. Beispielsweise: „Ein Nein ist ein Nein und nur ein Ja ist ein Ja!“

Dieser Kodex kann bei der Anmeldung und auf der Event-Website zugänglich gemacht werden und dient als Leitfaden zur Prävention von sexualisierter Gewalt. Beispiele hierzu sowie weiterführende Literatur findet ihr am Ende des Artikels. Unsere themenbezogenen Fallbeispiele:

Reeperbahn Festival: Awareness auf St Pauli

UEFA EURO 2024: Awareness auf der Hamburger Fan Zone

Ansprechpersonen und Awareness-Teams vor Ort: Ein speziell geschultes Awareness-Team steht bei Veranstaltungen bereit, um im Ernstfall direkte Unterstützung zu bieten und als Ansprechpartner:innen für alle Teilnehmenden sichtbar zu sein. Diese Teams sind durch spezielle Kleidung (beispielsweise Westen) oder Symbole (beispielsweise Buttons) leicht erkennbar und fungieren als Vertrauenspersonen. Dies stärkt nicht nur die Sicherheit, sondern etabliert auch eine Kultur der Offenheit und Unterstützung.

Feedback-Optionen: Anonyme Feedback-Formulare fördern eine transparente Kommunikation, über die Vorfälle sexualisierter Gewalt gemeldet und Verbesserungsvorschläge gemacht werden können. Diese Rückmeldungen helfen, bestehende Maßnahmen zu reflektieren und kontinuierlich anzupassen, um den Schutz und das Wohlbefinden der Teilnehmenden zu gewährleisten.

Die Rolle der Betroffenenzentriertheit und weiterer Grundprinzipien

Ein wesentliches Prinzip im Awareness-Konzept ist die Betroffenenzentriertheit. Hierbei stehen die Erlebnisse und Bedürfnisse der betroffenen Person im Mittelpunkt. Vorfälle werden nicht auf „objektive Wahrheiten“ untersucht, sondern die betroffene Person erhält uneingeschränkte Unterstützung. Weitere Grundprinzipien wie Definitionsmacht, Parteilichkeit und Vertraulichkeit ergänzen diesen Ansatz:

Definitionsmacht gibt Betroffenen das Recht und die Macht über sich selbst zurück. Dabei bestimmen die Betroffenen über Verlauf und Umgang mit ihrer Situation.

Parteilichkeit bedeutet, dass sich das Awareness-Team konsequent für die Interessen der Betroffenen einsetzt und bestehende Machtverhältnisse ausgleicht. Das Awareness-Team ist also nicht neutral, sondern parteilich für die betroffene Person.

Vertraulichkeit gewährleistet, dass Informationen respektvoll und sicher behandelt und nur anonymisiert erfasst werden, um den Schutz der Betroffenen zu gewährleisten.

Langfristige Wirkung und gesellschaftlicher Wandel

Awareness-Ansätze können das Sicherheitsgefühl der Teilnehmenden erhöhen und Vorfälle sexualisierter Gewalt reduzieren. Ein umfassendes Awareness-Konzept schafft nicht nur kurzfristig Sicherheit auf Events, sondern kann langfristig gesellschaftlichen Wandel fördern, indem alle beteiligten Personen Zugang und Wissen zu den Themen erhalten.

Durch das gemeinsame Bewusstsein für Respekt, Inklusion und das Auftreten von sexuellen Übergriffen können Veranstaltungsorte so gestaltet werden, dass sie nachhaltig sicherer und gerechter werden.

Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Awareness-Arbeit

Awareness ist nicht nur ein Konzept, sondern eine Verantwortung, die von allen Beteiligten getragen werden muss. Veranstaltende tragen durch die Implementierung solcher Maßnahmen zur Entwicklung einer inklusiven und gerechteren Event-Kultur bei. Dies erfordert Engagement, klare Strukturen und die Bereitschaft aller – von Veranstaltenden über die Crew bis zum Publikum – Verantwortung zu übernehmen und das eigene Verhalten zu reflektieren.

Maßnahmen im Überblick

Zusätzlich zur Einführung der genannten Ansprechpersonen und Feedback-Optionen können folgende Maßnahmen helfen, Awareness-Arbeit sichtbar zu machen und zu verbreiten:

Awareness-Stationen und Infopunkte: Auf Events bieten Awareness-Stationen Informationen und Beratung zu Antidiskriminierungs- und Präventionsmaßnahmen und dienen als diskrete Anlaufstelle für Betroffene.

Kommunikationskampagnen und Social Media: Über Event-Websites, die sozialen Medien und Apps können Awareness-Prinzipien kommuniziert und die Reichweite der Maßnahmen erhöht werden.

Partnerschaften mit Awareness-Initiativen: Kooperationen mit Organisationen, die zum Thema Awareness arbeiten stärken die Glaubwürdigkeit und den Wissenstransfer in Awareness-Themen.

Schlusswort

Awareness erfordert eine kollektive Haltung und Verantwortung. Durch die konsequente Umsetzung eines umfassenden Awareness-Konzepts können Veranstaltende und Teilnehmende zu einem sichereren und respektvolleren Miteinander beitragen. Jede:r Einzelne kann dazu beitragen, dass sich alle auf Veranstaltungen und in der Gesellschaft respektiert, geschätzt und sicher fühlen.

 

Weitere Beispiele

Awareness Handbuch des Reeperbahn Fesitvals

Sexualisierte Gewalt in der Clubkultur

Code of Conduct

Gewalt an Frauen

Noblogs Awareness

 

Weiterführende Literatur & Seiten

Gysi, J., Rüegger, P. (Hg.) (2017): Handbuch Sexualisierte Gewalt. Therapie, Prävention und Strafverfolgung. Bern: Hogrefe

Schwerdtner, L. (2021). Sprechen und Schweigen über sexualisierte Gewalt: ein Plädoyer für Kollektivität und Selbstbestimmung. Deutschland: edition assemblage.

Wiesental, A. (2021):  Antisexistische Awareness. Unrast Verlag

Awareness auf Festivals, wie gehts gemeinsam? I Höme & Act Aware e.V.

Allyship, ein Handbuch I Vogelball & Act Aware e.V.

Handbuch der Awareness I Safe The Dance

 

Initiativen

Act Aware e.V. 

Initiative Awareness

Awareness Akademie 

SAFE THE DANCE

Lawa Let’s act with kindness

Safer Spaces

L’unita Security

 

 

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