Inklusion muss laut sein!
Menschen mit Seh-, Hör- oder Mobilitätseinschränkungen stoßen oft auf unzugängliche Webseiten: fehlende Untertitel, unstrukturierte Navigation oder inkompatible Ticketbuchungssysteme. Diese Barrieren schließen sie aus und widersprechen dem Prinzip einer inklusiven Gesellschaft. Doch das Problem betrifft weit mehr Menschen: auch Ältere, Personen mit geringen digitalen Kompetenzen oder Menschen mit einer anderen Muttersprache. Sie alle brauchen klar strukturierte, verständliche und anpassbare digitale Angebote.
Gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung zeigt sich, dass Barrierefreiheit kein Zusatznutzen, sondern eine Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe ist. Dennoch fehlt oft das Bewusstsein für digitale Inklusion – viele Veranstalter:innen wissen nicht, welche konkreten Maßnahmen nötig sind, um ihre Angebote allen zugänglich zu machen.
Was steckt alles drin in digitaler Barrierefreiheit?
Die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit ist ein mehrstufiger Prozess, der technologische, kommunikative und strukturelle Aspekte umfasst.
Ein erster Schritt ist die Bereitstellung transparenter Informationen über bestehende Barrieren. Plattformen wie Kulturperlen Hamburg oder die Initiative Barrierefrei Feiern zeigen, wie dies umgesetzt werden kann, indem sie detaillierte Angaben zu barrierefreien Zugängen, digitalen Hilfsmitteln und inklusiven Angeboten bereitstellen. Diese Transparenz ermöglicht es Nutzer:innen, sich vorab zu informieren und selbstbestimmt zu entscheiden, ob und wie sie an einer Veranstaltung teilnehmen können.
Technische Standards spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) bieten klare Richtlinien, um digitale Inhalte zugänglich zu gestalten. Dazu gehören kontrastreiche Gestaltung, alternative Texte für Bilder, strukturierte Navigation und die Möglichkeit der Nutzung von Screenreadern. In Deutschland verpflichtet die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) öffentliche Stellen zur Einhaltung dieser Standards, aber auch kommerziell genutzte Websites wie etwa Ticketshops unterliegen seit Juni 2025 mit Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetztes (BFSG) klaren Anforderungen an Barrierefreiheit. Die Umsetzung ist für Laien kaum zu bewältigen und muss meist professionellen Webdesigner:innen aufgetragen werden (hier gibt es Tipps zur Auswahl seriöser Anbieter). Veranstalter:innen sollten sich an diesen Vorgaben orientieren und dabei berücksichtigen, dass eine technisch barrierefreie Plattform allein nicht ausreicht, wenn nicht auch inhaltliche und kommunikative Barrieren abgebaut werden.
Ein inklusiver digitaler Raum erfordert daher auch eine diversitätssensible Kommunikation. Texte in einfacher Sprache, mehrsprachige Angebote, Gebärdensprachvideos und Audiodeskriptionen sind essenzielle Bestandteile einer barrierefreien digitalen Präsenz und können z.B. über Übersetzungstools teilweise erreicht werden (FCSP Einfache Sprache Übersetzer). Dabei geht es nicht nur um eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch um eine ökonomische und gesellschaftliche Chance: Je inklusiver eine Veranstaltung kommuniziert wird, desto größer ist ihr potenzielles Publikum. Studien1 zeigen, dass Unternehmen und Institutionen, die auf barrierefreie Kommunikation setzen, eine höhere Nutzerzufriedenheit und eine stärkere Bindung an ihre Angebote verzeichnen.
Tipps zum Barriereabbau
- Barrierefreiheit als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie verankern
Entwickelt eine explizite Inklusions- und Barrierefreiheits-Policy, die gleichwertig neben ökologischen und anderen sozialen Zielen steht.
- Digitale Checklisten und Selbsttests etablieren
Nutzt existierende Tools wie die BITV-Selbstbewertung oder die WCAG-Checkliste, um Webseiten, Apps und digitale Ticketing-Systeme vor Veranstaltungsbeginn systematisch auf Barrierefreiheit zu prüfen. Macht diese Prüfungen Teil eures Nachhaltigkeitsmonitorings.
- Barrierefreie Kommunikation frühzeitig einplanen
Kommunikationsmaterialien (Webseiten, Programme, Einladungen) von Anfang an in einfacher Sprache und mit barrierearmen Formaten (PDF/UA, strukturierte HTML statt schwer zugänglicher Formate) entwickeln. Multilinguale Angebote berücksichtigen.
- Zusammenarbeit mit Inklusions-Expert:innen
Holt frühzeitig Expertise von Vereinen wie dem Blinden- und Sehbehindertenverein, Inklusionsbüros oder Agenturen für barrierefreie Kommunikation hinzu – so vermeidet ihr kostspielige Nachbesserungen. In Hamburg könnt ihr euch z.B. an Kompetent Barrierefrei wenden.
- Technikteams und Dienstleister:innen sensibilisieren
Berücksichtigt Barrierefreiheit bei der Auswahl von Dienstleister:innen (z.B. Eventtechnik, Streaming-Dienste, Ticketing) und besprecht eure Ansprüche bzw. listet diese bereits in der Ausschreibung.
- Pilotprojekte sichtbar machen
Hebt eure Aktivitäten für Barrierefreiheit aktiv hervor. Transparenz (z.B. über Barrierefreiheits-Icons auf Veranstaltungsseiten) motiviert andere Akteur:innen zur Nachahmung und sensibilisiert das Publikum.
- Förderprogramme nutzen und Anforderungen einfordern
Nutzt vorhandene Fördermittel für barrierefreie Digitalisierung (z.B. durch Kulturfonds, Inklusionsprogramme, etwa Aktion Mensch: Projektförderung oder Aktion Mensch: Mikroförderung) und fordert von Fördergeber:innen klare Inklusionskriterien bei Nachhaltigkeitsauflagen.
- Evaluation und Feedback-Schleifen integrieren
Nach Veranstaltungen anonymes Feedback speziell zur digitalen Barrierefreiheit einholen („Wie barrierefrei war Ihr digitales Veranstaltungserlebnis?“).
Inklusion sichtbar machen
Veranstalter:innen und Kultureinrichtungen sollten digitale Inklusion als festen Bestandteil ihrer Strategie begreifen (auch weil es teils gesetzliche Verpflichtungen dazu gibt). Dazu gehören transparente Informationen zu Barrierefreiheitsmaßnahmen, die konsequente Umsetzung technischer Standards und eine inklusive Kommunikation für alle potenziellen Teilnehmer:innen.
Inklusion muss sichtbar sein. Inklusion muss laut sein. Digitale Barrierefreiheit hilft nicht nur Betroffenen – sie sensibilisiert auch Menschen ohne Einschränkungen für alltägliche Barrieren. Wer einmal erlebt, dass eine Türschwelle, eine unbeschriftete Grafik oder eine unstrukturierte Website eine Hürde darstellt, entwickelt ein besseres Verständnis für die Lebensrealität anderer.
Eine nachhaltige Gesellschaft ist eine inklusive Gesellschaft – online wie offline. Digitale Barrierefreiheit ist keine bloße Pflicht, sondern eine Chance: für Veranstalter:innen, für Teilhabe und für eine zukunftsfähige digitale Welt.
1 Siehe https://www.capterra.com.de/blog/7531/studie-barrierefreie-website-kosten-umsatz und https://gehirngerecht.digital/warum-sich-digital-barrierefreiheit-lohnt/