Das Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit 23 schaffte mit über 700.000 Besucherinnen und mehr als 250 Akteur:innen große Aufmerksamkeit für den Themenschwerpunkt Nachhaltigkeit. Mit viel Eigeninitiative und dank Subvention setzte die bergmanngruppe hier das erste übergreifende Mehrwegsystem um. Die durch Hamburg Tourismus beauftragte öffentliche Veranstaltung ohne Eintritt fand zentral rund um die Binnenalster statt.
Problematik
Noch lange nicht alle Standbetreibenden nutzen Mehrweg für ihre Speisen: Anschaffungskosten, Lagerung, das Spülen der Behältnisse und die damit einhergehende Logistik ist für einzelne Standbetreiber:innen eine große Herausforderung. Wenn Einweg dann noch kostengünstiger ist, ist der Anreiz gering.
Das Angebot eines veranstaltungsübergreifenden Mehrwegsystems darf nicht auf Kosten der Standbetreibenden umgesetzt werden – und die Kosten dürfen nicht höher sein als bei der Nutzung von Einweg. Zudem darf kein Mehraufwand für Standbetreibende anfallen: es braucht passende Behältnisse für alle angebotenen Speisen, die Logistik muss flexibel gestaltet werden und sollte klimafreundlich sein.
Um Besucher:innen des Bürgerfests HORIZONTE ÖFFNEN für das Mehrwegkonzept zu begeistern, war ein System notwendig, das mit Karte und Bargeld genutzt werden konnte, aber keine App mit Kreditkartenregistrierung benötigte. Der Pfandwert sollte 3 Euro nicht überschreiten.
Lösungsansatz
Die bergmanngruppe konzipierte ein freiwilliges Mehrwegsystem, das die Kosten von Einweg nicht überschritt, indem es subventioniert wurde. Dazu waren vier wesentliche Schritte erforderlich:
Kalkulation und Budgetierung, Beantragung von Subvention
Direkt nach Bewerbung der Akteur:innen erfolgte eine erste Kalkulation: vorab erarbeitete Erfahrungswerte vergangener Veranstaltungen wurden genutzt, um Bedarfe, Spül- und Logistikkosten sowie Personalaufwand vor Ort zu berechnen und mit den Kosten zur Nutzung von Einweg verglichen, um den Eigenbeteiligungs-Anteil für Betreiber:innen zu errechnen.
Bereits im Prozess der Ausschreibung wurde ein Budget für ein Mehrwergsystem veranschlagt, welches nun zusammen mit dem Eigenbeteiligungs-Anteil der Kalkulation abgezogen wurde. Damit stand die benötigte Subvention fest.
Die Kosten für Leihgabe und Spülung beliefen sich laut Kalkulation auf weniger als 40 Prozent. Mehr als die Hälfte der Kosten fielen damit für Personal und Infrastruktur an. Die allgemeine Planung dieses Systems wurde nicht einkalkuliert.
Formulierung der AGBs
Das Abfall- und Gastronomiekonzept formulierte klare und verbindliche Vorgaben im Umgang mit Einweg und Mehrweg als Vertragsbestandteil für alle Akteuer:innen , also auch für diejenigen, die sich dem Mehrwegsystem nicht anschlossen.
Bis auf wenige Ausnahmen (Speisenangebot per Serviette oder unbeschichtetem Papier sowie Holzbesteck aus zertifiziertem Anbau) galt ein Einwegver- und Mehrweggebot.
Anbieter:innen wählen und Bestellprozess erarbeiten
Der mit dem Blauen Engel zertifizierte Anbieter Faircup wurde Partner für die Behältnisse, da alle ermittelten Bedarfe (verschiedenste und stapelbare Behältnisse, spülmaschinenfest und bruchsicher, faire Preise und damit geeigneter Pfandwert) erfüllt wurden. Partner für die Spülstraße war GST Worldwide Logistics GmbH.
Das Bestellsystem sowie das komplette Mehrwegsystem wurde von der bergmanngruppe entwickelt, dabei standen die Verantwortlichen in stetem Austausch mit Fair Cup. Das System bestand aus digitalen oder graphischen Bestandteilen, Auslieferungsplänen, der Koordination der Auslieferungs- und Rückgabe-Logisitk, sowie der Rückzahlung und das Verplomben. Das digitales Bestellsystem war online über ein zentrales System aufrufbar. Auch nachträgliche Bestellungen waren damit möglich. Ein Telefonsupport stand durchgängig zur Verfügung. Mit der Bestellbestätigung akzeptierten die teilnehmenden Standbetreibenden die AGBs.
Logistik
Partner für die Logistik wurde tricargo, deren Radlogistik 100% klimaneutral umgesetzt wird. Der Radlogistik-Anbieter ermöglichte die schnelle, flexible Lieferung und Abholung der Behältnisse für alle Stände, sowie die gebündelte Logistik zur Spülstraße, wo über Nacht gespült wurde.
Die Mehrwegrückgabe war an allen teilnehmenden Ständen möglich. Eine zentrale allgemeine Pfandrückgabe fungierte zudem als Infopoint zum Thema Mehrweg.
Herausforderungen
Die Planung des Mehrwegsystems bedurfte langer Vorbereitung und Erfahrung. Ohne die Dokumentation vergangener Veranstaltungen wäre es sehr schwierig gewesen, die Bedarfe zu kalkulieren.
Nicht ausreichend wurde der Pfandverlust kalkuliert, also Behältnisse, die von Besucher:innen und Standbetreibenden nicht zurückgegeben wurden.
Die händische Rückgabe und Pfandauszahlung erforderte zudem einen hohen Personalaufwand.
Bilanz
Schon der reduzierte Wasserverbrauch von 0,474l pro Besucher:in war ein Erfolg. Die Pro-Kopf-Abfallmenge lag bei 11g – dieser Wert ist sogar im Vergleich zu Veranstaltungen mit umfangreichem Zero-Waste-Konzept auffallend gering.
20 Prozent aller Standbetreiber:innen beteiligten sich an dem freiwilligen Mehrwegsystem. Genutzt wurden 99 Prozent der kalkulierten Behältnisse inklusive der Back-Ups – und es gab zu keiner Zeit Engpässe. Der Pfandverlust von 9,8 Prozent (das entspricht circa 2.500 Euro) wurde nicht ausreichend kalkuliert.
Die Pfandrückgabe fand zu 99 Prozent bei Standbetreibenden statt, der Großteil davon direkt an den Ständen, an dem das Behältnis auch erworben wurde. Der Infopoint mit zentraler Rückgabestelle wurde wenig genutzt – und hatte dafür einen zu hohen Personalaufwand.
Die Umsetzung eines so kostenintensiven und zeitaufwändigen Mehrwegsystems auf einer öffentlichen Veranstaltung ohne Eintritt hätte ohne Subvention nicht umgesetzt werden können. Es sind zukünftig rechtliche Vorgaben wie Verpackungssteuer, Einwegverbot und Pfandgebot notwendig.
Mehrwegbericht der bergmanngruppe
Vision
Die bergmanngruppe setzt 2024 die vertragliche Mehrwegpflicht für alle Veranstaltungen mit mehr als 1.000.000 Besucher:innen um. Ein nächster Schritt mit spannendem Mehrwegangebot – ebenfalls subventioniert – ist die Euro 2024 Fan Zone Hamburg, die Veranstaltung ist in Anwärterschaft für das Green Events Siegel.
Um die Mehrwegpflicht für alle Veranstaltenden und Veranstaltungen zu übertragen, wünscht sie sich verbindliche Vorgaben für Events und Gastronomie durch die Politik.
Umgesetzte Kriterien mit dieser Maßnahme:
- 3 Standbetreiber:innen und Konzept
- 7 Gastronomie
- 10 Wirtschaftliche Nachhaltigkeit
Change(K)now! project is co-funded by Interreg Baltic Sea Region. The projects main objective is a mindset change from single-use to circular or multiple-use of food delivery systems in cities and residents of the Baltic Sea Region.