Indikatoren – Nachhaltigkeit richtig messen und bewerten

Im letzten Sommersemester haben 16 Student:innen der Leuphana Universität Lüneburg in ihrem ersten transdiszilplinären Forschungsprojekt verschiedene Themen unseres Projektes näher mit den Partner:innen der Pilotphase beleuchtet. Transdiszplinär bedeutet, dass die Praxispartner aktiv den Forschungsprozess mitgestalten. Probleme werden gemeinsam definiert und Lösungen gefunden, immer im Wechselspiel mit aktuellen Entwicklungen in der…

Im letzten Sommersemester haben 16 Student:innen der Leuphana Universität Lüneburg in ihrem ersten transdiszilplinären Forschungsprojekt verschiedene Themen unseres Projektes näher mit den Partner:innen der Pilotphase beleuchtet. Transdiszplinär bedeutet, dass die Praxispartner aktiv den Forschungsprozess mitgestalten. Probleme werden gemeinsam definiert und Lösungen gefunden, immer im Wechselspiel mit aktuellen Entwicklungen in der Wissenschaft.

Dieser Beitrag stammt von der Gruppe, die sich intensiv mit Indikatoren befasst hat. Der Beitrag stammt von: Alexandra Augustin, Oliver Becht, Marie Flatow, Liz Valerie Gacon, Anna-Kristina Voß und Leo Willen.


Um eine Nachhaltige Entwicklung der Veranstaltungsbranche zu unterstützen, hat Green Events Hamburg (GEHH) in einem partizipativen Prozess mit über 100 Akteur:innen einen Maßnahmenkatalog entworfen, der Veranstalter:innen als Anleitung dienen soll, ihre Veranstaltung Schritt für Schritt nachhaltiger umzusetzen. Aber wie kann man feststellen, was wirklich nachhaltig ist und was nicht?
Um das herauszufinden, haben wir uns im Rahmen eines Forschungsprojekts der Leuphana Universität Lüneburg in Kooperation mit Green Events Hamburg damit beschäftigt, wie die Nachhaltigkeit von Veranstaltungen durch Indikatoren gemessen und vergleichbar gemacht werden kann.
Grundlage unserer Forschung bilden 10 Interviews – mit verschiedenen Veranstalter:innen aus dem Green Events-Netzwerk, Behörden und einem Berater:innen von Green Events – sowie eine ausführliche Literaturrecherche. Inhalte der Interviews waren unter anderem Kriterien für einen guten Indikator oder ein gutes Indikatorsystem sowie die aktuelle Datenlage bei den Veranstalter:innen.

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Was sind Indikatoren? Und was macht einen guten Indikator aus?

Ein Indikator ist eine einfache Kennzahl, die den Stand ökonomisch, sozialer oder ökologischer Entwicklungen repräsentiert (Ness et al., 2007). Indikatoren können aber auch über Kennzahlen hinausgehen und komplexere, qualitative Aspekte darstellen (Meadows, 1998). In Bezug auf Veranstaltungen kann beispielsweise der Strom- und Wasserverbrauch oder das Müllaufkommen als Indikator verwendet werden (Ness et al., 2007). In der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Nachhaltigkeitsindikatoren (Meadows, 1998) werden diverse Kriterien für einen guten Indikator genannt: Dazu gehört zum Beispiel, dass klar sein muss, was der Indikator inhaltlich ausdrückt. Weiterhin soll ein Indikator jederzeit offen zur Diskussion stehen. Bei den Interviews mit den Praxispartner:innen stellte sich heraus, dass besonders die Vergleichbarkeit, die Messbarkeit und die Sinnhaftigkeit der Indikatoren entscheidende Eigenschaften sind. Diese drei Punkte wurden auch in der Literatur unter den Punkten hierarchisch, machbar und richtlinienrelevant aufgeführt. Allerdings gab es auch neue Aspekte und Perspektiven für Indikatorkriterien, die in den Interviews genannt wurden.

Ein guter Indikator ist einfach etwas, was dich anspornt besser zu werden.”

Die Machbarkeit, also das Erheben eines Indikators zu tragbaren Kosten, ist dabei ein entscheidender Punkt. Besonders Daten zu sozialen Aspekten sind oft schwer zu erheben und kaum sinnvoll in einen Indikator zusammenzufassen. Dadurch mangelt es Indikatoren häufig an Aussagekraft über soziale Gegebenheiten, wie zum Beispiel Inklusion. Das gilt jedoch nicht ausschließlich für soziale Aspekte – auch bei einfach zu erhebenden Indikatoren kann es an Aussagekraft mangeln, wenn die Kennzahl keine Relevanz hat oder unvollständig ist.
Um den Indikatoren mehr Aussagekraft zu verleihen, gibt es die Möglichkeit, mehrere Einzelindikatoren zusammenzufassen. Sowohl die Möglichkeit eines Siegels oder eines Zertifikates als auch die eines Punktesystems oder einer Rangliste wurden hierfür als Beispiele in den Interviews benannt. Während ein Siegel oder Zertifikat das Erreichen eines gewissen Nachhaltigkeits-Standards nachweisen würde, könnten ein Punktesystem oder eine Rangliste darüber hinausgehen und die Nachhaltigkeit verschiedener Veranstaltungen direkt vergleichen. In Österreich gibt es beispielsweise das “Österreichische Umweltabzeichen für Green Meetings und Green Events” (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Österreich, 2018(2020)). In diesem Bewertungssystem können Veranstaltungen in bestimmten Bereichen eine bestimmte Maximalpunktzahl erreichen, wenn sie bestimmte Maßnahmen ergreifen, und erhalten dadurch eine Gesamtpunktzahl, die sie direkt mit anderen Veranstaltungen vergleichbar macht.

Vielseitigkeit in der Veranstaltungsbranche – Der Fallstrick eines einheitlichen Indikatorensystems

In den Interviews waren sich fast alle Befragten einig, dass es generell schwierig ist, verschiedene Veranstaltungstypen miteinander zu vergleichen. Ansätze, wie es allerdings doch funktionieren könnte, wurden gleich mehrere genannt: Es gab die Ideen, Veranstaltungen nur innerhalb eines Veranstaltungstyps oder diese mit derselben Zielgruppe miteinander zu vergleichen. Zudem könnte Vergleichbarkeit durch die Nutzung relativierte Werte (Werte pro Kopf, relativ zur Dauer der Veranstaltung, pro Einheit Kapital) geschaffen werden.

Nur in der Vielseitigkeit der Veranstaltungen, die es zu bewerten gibt, [halte ich es für] sehr schwierig ein übergreifendes Punktesystem zu entwerfen.“

Vergleichbarkeit ist auch entscheidend, wenn ein Indikator oder die Zusammenfassung verschiedener Indikatoren zu einem Index als Grundlage zur Vergabe von Veranstaltungsflächen dienen soll. Soll ein solcher Vergabeprozess fair und transparent sein, müssen vergleichbare Kriterien für Nachhaltigkeit herangezogen werden. Für die Vergabe könnten ein Punktesystem, Indizes (wie zum Beispiel eine CO2-Bilanz) oder relativierte Werte herangezogen werden.

Kennzahlen sind das Fundament eines Indikatorensystems

Doch um Daten für Indikatoren, Indikatorsysteme, Vergleichbarkeit und Vergabe zu verwenden, müssen sie erst einmal vorliegen. In den Interviews zeigte sich, dass bei einigen Veranstalter:innen Daten bereits im größeren Umfang vorhanden sind, bei anderen allerdings noch gar nicht. Fast alle Veranstalter:innen gaben aber an, in der Lage zu sein, Daten zu beschaffen. Dennoch zeigten sich verschiedene Schwierigkeiten, die mit der Datenbeschaffung einhergehen: Zur Datenerhebung sind viele Ressourcen notwendig – zum Beispiel Personal mit Fachkompetenz, Zeit, Geld oder auch die Motivation, sich mit dem Thema ausführlich zu befassen.

Also bei uns sehe ich da definitiv niemand der sowohl die Zeit [als auch das] Knowhow hat“

Die notwendigen Messungen können von internen Mitarbeiter:innen oder, falls nicht genug Personal vorhanden ist, auch von Externen durchgeführt werden. Trotz alledem liegen manche Bereiche außerhalb des Einflussbereiches oder der Einsicht des Veranstalters/der Veranstalterin, sodass es für die Veranstalter:innen nicht möglich ist, vertrauenswürdige Daten zu beschaffen. Dies betrifft zum Beispiel die Lieferketten ausgewählter Produkte und Dienstleistungen.
Wenn die Daten erhoben werden können, garantiert dies allerdings immer noch keine Vergleichbarkeit. So zeigte sich durch die Interviews, dass der Umgang mit Daten immer subjektiv abläuft. Während eine Person sehr selbstkritisch mit ihren Daten umgeht, beschönigt eine andere diese eventuell – sowohl absichtlich als auch unabsichtlich. Besonders betroffen sind davon Besucher:innenbefragungen, wo Besucher:innen unehrlich antworten könnten, die Fragen schon voreingenommen gestellt werden oder die Auswertung der Antworten voreingenommen ist.

Siegel oder Vergabeverfahren – Wohin das Indikatorensystem führt

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Indikatoren – Was sind die nächsten Schritte für unser Projekt?

Aus den Interviews ergab sich unter anderem auch ein Appell an Green Events, was sich die Praxispartner:innen noch von Green Events erhoffen bzw. erwarten. Dazu gehören Anleitung und Expertise zum Erheben und dem richtigen Umgang mit Daten, aber auch das Bereitstellen einer Möglichkeit zur Richtigen Kommunikation nach außen, was konkret für Nachhaltigkeit getan wird. Mehrere Veranstalter:innen sprachen davon, dass sie sich Siegel oder Stempel wünschen würden, die ihre Veranstaltung als nachhaltig kennzeichnet oder eine Darstellung, der Ressourcen, die bisher durch die Teilnahme bei GEHH bisher schon eingespart wurden.
Bis ein umfassendes und für alle Veranstaltungen übergreifendes Indikatorsystem zum Einsatz kommen kann – ob in Form eines Punktesystems oder eines Siegels – muss also noch einiges passieren. Die Idee ist allerdings sehr vielversprechend: Veranstalter:innen, denen es gelingt, möglichst viele Nachhaltigkeitsaspekte möglichst effektiv bei ihrer Veranstaltung umzusetzen, könnten sich dadurch auf lange Sicht einen Vorteil bei der Vergabe von Veranstaltungsflächen sichern. Weitere direkte Vorteile für VeranstalterInnen wären außerdem in vielen Fällen ein verbessertes Image sowie die Möglichkeit, sich anhand der Indikatoren stetig zu reflektieren und zu verbessern.

Zum Weiterlesen…

Hier auch noch einmal mehr zu den Ergebnissen des Projektes in einer Power-Point-Präsentation.

Quellen

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